Psychologische und neuronale Grundlagen der Persönlichkeitsdynamik

Menschliche Entwicklung ist hoch dynamisch und chaotisch – nicht nur in dem Sinn, dass es da manchmal chaotisch zugeht, sondern dass die Wege nicht vorhersehbar sind, aber trotzdem einer inneren Ordnung folgen, wenngleich einer sehr komplexen. Diese Ordnung nennt man „Attraktoren“. Seit es möglich ist, Entwicklungs- und Veränderungsprozesse mit Internet- und App-basierten Methoden sichtbar zu machen (z.B. mit dem Synergetischen Navigationssystem, SNS), also zu erfassen, zu visualisieren und chaos-sensitiv zu analysieren, haben wir viel über deren innere Ordnung gelernt – im alltäglichen Leben, aber auch in Therapie, Beratung und Coaching. Wir können sie in (Computer-)Bilder fassen, wissen um ihre begrenzte Stabilität, und können ihre Übergangsszenarien auf der Höhe des Geschehens verfolgen. Selbstorganisation erfolgt in der Regel als Kaskade von Ordnungs- zu Ordnungs-Übergängen, und obwohl im strengen Sinn weder vorhersehbar noch steuerbar, lassen sie sich unterstützen und fördern, zum Beispiel unter Berücksichtigung der generischen Prinzipien gelingender Selbstorganisation. Hierbei spielen Ressourcen und Motto-Ziele eine Rolle, aber auch der Umgang mit Komplexität und die Individualität der Prozesse. Selbstorganisation folgt allgemeinen Prinzipien, führt uns aber zu einer personalisierten Form von Therapie und Beratung, auch von Fallkonzeption und Prozessmessung.

Eine Theorie von Veränderung beschreibt, wie die beteiligten psychologischen Faktoren in nichtlinearer Weise aufeinander wirken und wie und welche Parameter dieses Aufeinander-Wirken modulieren. Die Parameter können als Ressourcen und Kompetenzen interpretiert werden; sie verändern die Dynamik der beteiligten Faktoren, werden ihrerseits aber auch von dieser Dynamik beeinflusst. Die Dynamik der Faktoren vollzieht sprunghafte Musterwechsel (Ordnungsübergänge). Man könnte die Veränderung der Parameter als Persönlichkeitsentwicklung beschreiben, die mit Blick auf Psychotherapie nicht nur eine systemische Erklärung findet – also durch eine Computersimulation nachvollziehbar wird –, sondern auch im Einzelfall erfasst werden kann. Eine lauffähige Theorie für den Einzelfall gewissermaßen.

Sowohl die psychologische Persönlichkeitsentwicklung als auch die generischen Prinzipien finden eine Entsprechung in neurobiologischen Mechanismen und Befunden, z.B. zur Selbst-bezogenen Informationsverarbeitung, zur Motivation, zur Bindung, zur Propriozeption (Stichwort: somatische Marker) und zur neuronalen Plastizität. Nicht nur unsere Psyche und alle psycho-sozialen Prozesse, sondern auch unser Gehirn in seinem Körper sind hochkomplexe, selbstorganisierende Systeme, die auf der mentalen und sozialen Ebene durch das SNS und die dort implementierten Methoden, und auf der neuronalen Ebene durch neue Methoden der funktionellen Konnektivitätsdynamik dargestellt werden können.